Eine große Stärke von HILDE besteht darin, völlig unerwartete, manchmal geradezu tollkühne Scharniere zwischen abstrakter Klangfindung und traditioneller Anmut zu finden. Diese seltene Gabe offenbart sich vor allem in ihren Live-Konzerten.
Für ihr neues Album “Tide” hat die Band bewusst die Entscheidung getroffen, dieses Verhältnis ein erhebliches Stück in Richtung experimentelle Sinnlichkeit zu verschieben. Von wem welcher spielerische Impuls, welche Klangfarbe, Komposition oder spontane Idee kommt, spielt kaum eine Rolle. Vier Musikerinnen wachsen zu einer Person zusammen, zu HILDE, einem Individuum mit vier Köpfen und acht Armen, das uns auf „Tide“ mit massiver Sanftheit gegenüber tritt.
„Wir mögen schöne Sachen“, ruft HILDE unisono aus. Improvisation ist für sie ein Ausdruck von Freiheit, der nichts ausschließt und alles zulässt. Was an sich wie eine Selbstverständlichkeit klingt, ist das – wie uns 60 Jahre frei improvisierter Musik ernüchternd vor Augen führen – ganz und gar nicht. Schöne Sounds, Wohlklang und einprägsame Liedstrukturen sind auf „Tide“ keine peinlichen Ausrutscher, sondern überaus gewollt.
Der Grundstein für diese intuitive Geschlossenheit liegt viel tiefer als das viel zitierte gegenseitige Vertrauen innerhalb einer Band. Er beruht auf einer in dieser Unverbrüchlichkeit selten gelebten wohlwollenden Verlässlichkeit, welche jede der vier Musikerinnen ein Gefühl der Sicherheit gibt, die sie braucht, um als HILDE zum Äußersten gehen zu können und immer das Innerste zu erreichen – und umgekehrt.
(Text: Wolf Kampmann)
Besetzung:
Julia Brüssel – Geige
Marie Daniels – Stimme
Maria Trautmann – Posaune
Emily Wittbrodt – Cello
Veranstalter: Kultur vor Ort in Zusammenarbeit mit Welthaus Bielefeld
Gefördert durch die LWL Kulturstiftung und das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW
[Eintritt VVK: 10 Euro/erm. 8 Euro, AK: 15 Euro/erm. 10 Euro]