Sehr geehrte Frau Präsidentin Boluarte,
die Informationsstelle Peru e.V. arbeitet seit mehr als 25 Jahren mit peruanischen Menschenrechtsorganisationen, Bauernorganisationen, Frauenorganisationen, Bergarbeiterorganisationen, indigenen Organisationen usw. zusammen, um zur Stärkung der demokratischen und ethischen Grundsätze einer friedlichen, so-zial gerechten und gleichberechtigten peruanischen Gesellschaft beizutragen.
Angesichts der schwierigen politischen Lage, in der der ehemalige Präsident Pedro Castillo die Schließung des Kongresses ankündigte, um eine "Ausnahmeregierung" zu bilden, wurde Pedro Castillo vom peruanischen Kongress umgehend abgesetzt und verhaftet und er verbüßt derzeit eine 18-monatige Präventivhaft. In dieser Situation übernehmen Sie als Vizepräsidentin der rechtmäßigen Regierung von Ex-Präsident Castillo die Präsidentschaft, das höchste Amt des peruanischen Staats, und verkünden eine Regierungsbildung auf den Grundsätzen einer breiten Basis und Dialogoffenheit. Währenddessen erleidet Peru einen politischen und sozialen Zusammenbruch, und die Volksorganisationen im Landesinneren mobilisieren sich und nehmen ihr Recht auf Protest wahr, das auf unmenschliche Weise unterdrückt wurde: 28 Menschen starben und Hunderte wurden verletzt, darunter Heranwachsende, Jugendliche und Erwachsene - Opfer einer Gewalt, die zwischen dem 7. und 21. Dezember 2022 mit Genehmigung Ihrer Regierung ausgeübt wurde.
Angesichts dieser Eskalation der Gewalt in Peru und Ihrer Verantwortung als Mandatsträgerin bitten wir Sie und schlagen Ihnen vor,
- dass Sie unverzüglich ein Ende der Repression anordnen und die Streitkräfte in die militärischen Einheiten zurückschicken, für die sie ausgebildet wurden, und aufhören, auf unschuldige Menschen zu schießen.
- die unverzügliche Aufhebung des Ausnahmezustands und der Ausgangssperre in den Regionen. Dies sind extreme Maßnahmen im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit und verletzen die Menschenrechte eines verärgerten und gedemütigten Volkes, das lediglich sein Recht auf Protest ausübt. Unter solchen Umständen besteht kein politischer Wille zur Aufnahme eines gesellschaftlichen Dialogs. Ihren sofortigen Rücktritt zu erklären, um den Weg für eine Übergangsregierung mit einer vom peruanischen Volk akzeptierten Regierung frei zu machen, sowie die sofortige Ausrufung allgemeiner Wahlen für das Jahr 2023.
- bei den Neuwahlen die Teilnahme von Kandidat*innen zu garantieren, die nicht vorbestraft sind und die Parteien vertreten - nicht persönliche, politische oder wirtschaftliche Interessen. Während des Transferprozesses sollen die besten politischen Kader Perus vorgeschlagen werden, deren Programme das Gemeinwohl der Bevölkerung zum Ziel haben.
- eine neue Verfassung auszuarbeiten, die die Verfassung von 1993 ersetzen soll, die während der Diktatur des ehemaligen Präsidenten Alberto Fujimori verfasst und verkündet wurde. Peru braucht eine zeitgemäße Magna Carta, deren Schwerpunkte auf sozialer Gerechtigkeit, Gleichheit, Umweltschutz und Stärkung der Demokratie liegen.
- hören Sie auf, die Führer der Region Macrosur und die Gewerkschaftsführer Perus zu kriminalisieren, die am 4. Januar 2023 in Lima eintreffen werden, um ihre Forderungen vorzutragen, von denen Sie sagen, dass Sie sie nicht erfüllen können, während die Staatsanwaltschaft bereits Ermittlungen gegen einige dieser Führer wegen angeblicher Bildung einer kriminellen Vereinigung zum Angriff auf die nationale Souveränität eingeleitet hat. Die Verrechtlichung der Politik darf Bürgerrechte nicht kastrieren.
- die Familien der Opfer in Ayacucho, Apurimac, Cusco, Junin, La Libertad und Arequipa zu entschädigen, da der Tod eines peruanischen Bürgers nicht mit einem Familiengutschein abgegolten werden kann.
- die Rolle und Aufgaben der Nationalen Polizei durchzusetzen, nämlich die innere Ordnung und die Sicherheit der Bevölkerung zu schützen - und keinesfalls einen "Marsch für den Frieden" zu organisieren und zu propagieren, der als politische Mobilisierung gegen die Artikel 34 und 169 der peruanischen Verfassung verstößt. Auch das Gesetz 30714, das das Disziplinarregime der peruanischen Nationalen Polizei regelt, würde verletzt. Wie die Streitkräfte ist sie ausführend tätig.
- aufzuhören, die Protestierenden in gute und schlechte einzuteilen. Diese gefährliche Strategie der Regierung spaltet Peru weiter und kann zu größeren Auseinandersetzungen zwischen Peruaner*innen führen. In diesen Zeiten ist es notwendig, an das historische Gedächtnis zu appellieren und mit dem schädlichen Gerede von angeblichen Terroristen aufzuhören, das von konservativen politischen und institutionellen Interessen und der konzentrierten Presse gern ins Feld geführt wird.
Wir sind sicher, dass Sie als erste Präsidentin Perus nicht als diejenige in die politische Geschichte Perus eingehen wollen, die verantwortungslos eine zivil-militärische Regierung führte und wie andere Präsidenten vor den Richtern in Den Haag enden, wegen Todesfällen durch staatliche und exzessive Gewalt, die verhindert hätte werden können und noch kann.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Dina Boluarte Zegarra, noch ist es Zeit, intelligent zu handeln und positive Strategien für Peru zu entwickeln. Sie wissen, dass Repression der Bevölkerung nur zu mehr Gewalt im Landührt. Die sozialen Organisationen, organisierte Kollektive, Studentenbewegung, Quechua sprechende indigene Bevölkerung usw. lehnen zu Recht einen unfähigen Kongress ab, der sich nur mit sich selbst und seinen Posten beschäftigte und dessen rechte und rechtsextreme Parlamentarier sich nur der Verhinderungspolitik verschrieben, das legitime Votum des Volkes an der Wahlurne leugnen und der Bevölkerung ihr politisches Recht auf ein Referendum verweigern. Mit einem antidemokratischen Parlament mit diktatorischer Haltung kann man nicht gemeinsam regieren, Frau Präsidentin Boluarte. Wir appellieren an ihre Selbstkritik bezüglich Ihrer Fehlentscheidungen, sich bewusst zu machen, dass der Dialog sehr spät kommt und im Ausnahmezustand, unter den Augen der Armee und ohne Bürgerrechte, nicht möglich ist.
Wir verabschieden uns und wünschen Ihnen, dass Sie in diesen für das peruanische Volk unsicheren Zeiten angemessene Entscheidungen treffen.
Mit freundlichen Grüßen
Heinz Schulze | Norma Driever
Vorstandsmitglieder der Informationsstelle Peru e.V.